Agbogblo…was? Nie gehört? Agbogbloshie ist ein Stadtteil der ghanaischen Hauptstadt Accra. Hier endet der illegal eingeführte Elektroschrott aus Europa. Es ist wohl einer der am schlimmsten verseuchten Orte der Welt. Dennoch leben direkt auf der Müllkippe rund 6.000 Menschen, die von dem elektronischen Abfall leben – mit schweren gesundheitlichen Folgen. Nach unserem Besuch bei unserem Klimaschutzprojekt in Togo haben wir vor unserem Rückflug die Müllhalde von Agbogbloshie besucht. Alles über unsere erschütternden Eindrücke vor Ort.
Willkommen in Agbogbloshie – dem wohl schmutzigsten Ort der Welt
Ankunft bei schwül-warmen Temperaturen auf dem Großmarkt von Agbogbloshie. Einfache Verkaufsstände säumen dichtgedrängt die rote Schotterpiste, auf der sich voll beladende Eselkarren, schrottreife Wagen und fliegende Händler nebst umherirrenden Schafen den Staub der Straße teilen. Der Markt gleicht für Außenstehende einem chaotischen Ameisenhaufen und hat doch System. Das Marktgebiet ist aufgeteilt nach Lebensmitteln, Kleidung und weiteren Waren. Wir sind auf der Suche nach der berüchtigten Müllkippe, die hier beschönigend als Elektro- und Metallmarkt bezeichnet wird.
Trotz der Unübersichtlichkeit findet sich der Metallmarkt relativ einfach, indem schlichtweg der eigenen Nase gefolgt wird. Giftige Schwaden schwarzen Rauches durchziehen zunehmend die Luft. Es stinkt nach verbranntem Plastik. Vorbei an mannshohen Schrottbergen laufen wir über rostbraune Erde, die mit allerlei Plastik- und Metallabfällen durchzogen ist. Hier wachsen weit und breit weder Gras, noch Blumen oder Strauch – nicht einmal die robusteste und anpassungsfähigste Pflanze vermag es, auf dem verseuchten Boden Wurzeln zu schlagen.
Bittere Armut und verheerende Umweltverschmutzung
Mit jedem Schritt wird der Rauch dichter und die Erde dunkler – ein sicheres Zeichen, dass wir uns dem Epizentrum der Mülldeponie nähern. Neben dem Müll durchtränktem Rinnsal, was früher mal ein Fluss gewesen sein mag, verbrennen eine Handvoll Kinder und junge Männer ein nicht näher definierbares, etwa medizinballgroßes Geflecht, das sich später als eine Ansammlung von Computerkabeln herausstellen sollte. Überrascht starren sie uns an, achten jedoch gleichwohl wieder auf die Windrichtung, um nicht direkt in dem toxisch-schwarzen Rauch aus Phosphor, Blei und Cadmium zu geraten. Der krebserregende Qualm weht jedoch ungefiltert in den gegenüber liegenden Slum von Old Fadama, im Volksmund biblisch „Sodom“ genannt.
Wir kaufen diverse Wasser in kleinen Plastiktüten, die ein Mädchen von etwa 12 Jahren auf der Deponie verkauft. Jeweils eine behalten wir für uns und verteilen den Rest an die umherstehenden Männer. Vorsichtig kommen wir daraufhin mit einem der Arbeiter ins Gespräch, der sich uns als „Chief“ vorstellt. Der Chief heißt eigentlich Mohammed und ist so etwas wie der Anführer einer Gruppe von knapp zehn Bewohnern der Elektrohalde. „Welcome to Sodom“, begrüßt er uns, verzieht dabei keine Mine und weist uns platzbittend in seinen Unterschlupf. Die behelfsmäßige Behausung ist ein auf dem Kopf stehendes Boot, das an den Ecken jeweils von vier Öltonnen getragen wird. Um den Tisch herum sitzen vier Jugendliche, die abwechselnd an ihren selbstgedrehten Zigaretten ziehen.
Er berichtet uns, dass sie neben Eisen und Aluminium vornehmlich auf der Suche nach Kupfer sind, das sich noch in den alten Elektrogeräten verbirgt. Statt den Elektroschrott ökologisch sauber in seine Wertstoffe zu trennen und fachgerecht zu entsorgen, wird es hier auf dem inzwischen pechschwarzen Erdboden mit Spiritus oder Benzin übergossen, um das störende Schaumstoff und Plastik zu verbrennen. Neben der Boden- und Trinkwasserverseuchung hat die damit einhergehende Form der Luftverschmutzung massive gesundheitliche Folgen. Nicht nur durch die unmittelbare Aufnahme über die Atemwege und Haut, sondern auch durch die Kontamination der angebotenen Feldfrüchte, die auf dem angrenzenden Lebensmittelmarkt angeboten werden. Die durch die Verbrennung entstehenden Dioxine setzen sich auf der Oberfläche von Früchten und Gemüsen ab und gelangen dadurch in den Nahrungsmittelkreislauf der Menschen.
Der Ort ist für uns so unwirklich, dass wir noch immer nicht ganz begreifen, wo wir uns eigentlich befinden. Noch immer halten wir unseren leeren Plastikwasserbeutel in der Hand. Als Mohammed es bemerkt, fragt er sarkastisch, ob wir vielleicht einen Mülleimer suchen? Gleich darauf nimmt er uns die Plastiktüten aus der Hand und wirft sie vor uns auf den Boden, blickt uns scharf an und verdeutlicht: „Wir wohnen im Mülleimer!“
Stetig wollen wir uns während des Gespräches ein Taschentuch vor die Nase halten, um Gestank und Giftstoffe zumindest oberflächlich zu entfliehen, doch der zwischenmenschliche Anstand überwiegt die möglichen gesundheitlichen Folgen, im „Wohnzimmer“ des Gastgebers ein schützendes Tuch oder gar eine Atemschutzmaske zu tragen.
„Wir wissen um die Umwelt- und Gesundheitsprobleme hier, doch wir leben eben nur in der zweitschlechtesten aller Welten“, sinniert Mohammed fast philosophisch. Er hebt seine barfüßige Tochter auf seinen Arm und verweist nicht ohne Stolz: „Mit dem Kupfer ernähre ich meine Familie! Ohne die Deponie wären wir schließlich alle arbeitslos und müssten verhungern.“ Er berichtet, dass immer wieder Umweltorganisationen versuchten, seine schmutzige Arbeit zu unterbinden. „Doch was soll uns das bringen?“, skandiert er heftig, „Denkt ihr wirklich, wir wollen hier freiwillig für einen Hungerlohn schuften und unsere Gesundheit gefährden. Wir haben einfach keine Alternative! Schafft uns einen sauberen Arbeitsplatz und ich verspreche euch: von einem auf den anderen Tag sind wir hier alle verschwunden!“
Spenden für Accras Straßenkinder
Nach sorgfältiger Prüfung sind wir eine Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein Chance For Children eingegangen. Deren lokales Hilfsprojekt wurde uns von der ebenfalls in Accra tätigen GIZ wärmstens empfohlen.
„Der Verein bezweckt, Strassenkindern in Ghana durch materielle und ideelle Unterstützung eine Chance zu geben, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen, indem sie Liebe und Geborgenheit erfahren und schulische und berufliche Fähigkeiten erlernen. Ziel ist es, dass die ehemaligen Strassenkinder ein selbständiges Leben führen können.“
Chance For Children betreut im Nachbarstadtteil von Agbogbloshie ein Tageszentrum. In dieser Einrichtung erhalten die Kinder von Accra nicht nur eine warme Mahlzeit, medizinische und psychologische Betreuung, sondern es sind auch Sozialarbeiterinnen und Pädagogen vor Ort, um die Kinder optimal zu betreuen. So kann der Verein die Straßenkinder individuell unterstützen und mit ihnen kurz- und langfristige Perspektiven erarbeiten, die nicht auf der Müllkippe von Agbogbloshie enden (zum Video).
dieUmweltDruckerei, Chance For Children und die Straßenkinder freuen sich sehr auf eure großzügige Spende für das Kindertageszentrum!
Spendenkonto: Chance for Children
IBAN: DE43 6001 0070 0158 3957 08
SWIFT/BIC: PBNKDEFF
Verwendungszweck: Hilfe für das Kindertageszentrum in Accra
90% eurer Spende wird direkt an die Straßenkinder in Accra weitergeleitet. Dazu zählen Schulgebühren, Nahrung, Kleider, Unterkunft und Betreuung. Selbstverständlich erhaltet Ihr eine Spendenquittung von Chance For Children. Schreibt dafür einfach eine kurze E-Mail mit eurem Überweisungsbeleg und eurer Anschrift an Frau Gabrielli-Kaufmann: christina.gabrielli@chance-for-children.org
Der Spendenstand
Bis zum 27.11.2018 wurden durch Kundinnen und Freunde der UmweltDruckerei 695 EUR gespendet. Gemäß Chance for Children wird dieser Betrag im Tageszentrum für die dringend benötigte Verpflegung der Kinder eingesetzt. Eine warme Mahlzeit vor Ort kostet in etwa 1 Euro pro Kind und Tag. Die bisher geleisteten Spenden sichern somit über einen halben Monat eine warme Mahlzeit pro Tag für über 40 Kinder. Vielen Dank für eure Unterstützung! Gespendet werden darf natürlich weiter 😉
Weitere bildgewaltige Informationen über die Müllkippe von Agbogbloshie
Eine derzeit in den Programmkinos laufende Dokumentation sei euch am Ende unbedingt noch ans Herz gelegt: Der Film „Welcome to Sodom“ porträtiert eindrucksvoll das Leben der Menschen auf Europas Elektromüllhalde.
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