Die deutsche Tier- und Naturschutzorganisation Pro Wildlife setzt sich für Wildtiere in aller Welt ein. Immer wieder kommt die Frage auf, wie wir von hier aus beispielsweise Elefanten in Namibia, Echsen in Mexiko und Äffchen in Südostasien schützen wollen, noch dazu als vergleichsweise kleine Organisation. Kann diese Arbeit wirklich etwas verändern? Oh ja, sagen wir aus tiefster Überzeugung nach nunmehr 23 Jahren Einsatz und zahlreichen Erfolgen beim internationalen Schutz von hunderten bedrohten Tierarten.
Artenschutz hat viele Gesichter
Artenschutz ist für viele Menschen das konkrete Anpacken vor Ort: Vom berühmten Kröten-über-die-Straße-tragen hierzulande, bis hin zu Schlauchbooteinsätzen gegen Walfänger oder den Waisenhäusern für Wildtiere in Afrika, wo Elefanten- oder Affenkinder aufgepäppelt werden, um sie später wieder auszuwildern. Diese Arbeit vor Ort ist ungemein wichtig, aber sie allein reicht nicht aus, um Wildtiere und ihren Lebensraum dauerhaft zu schützen. Damit das Fangen und Töten von Wildtieren überhaupt erst illegal werden, braucht es Gesetze – die oftmals mühselig und entgegen wirtschaftlichen Interessen erkämpft werden müssen.
Diese politische Lobbyarbeit findet, meist von der Außenwelt unbemerkt, vornehmlich vom Schreibtisch aus statt. Ob dieser Schreibtisch in München oder Nairobi steht, ist egal. Wichtig sind dabei zwei Dinge: Erstens, bei den relevanten Artenschutzkonferenzen mit am Verhandlungstisch zu sitzen. Und zweitens, ein gutes Netzwerk weltweiter Kontakte zu Rettungsstationen, Wissenschaftler*innen sowie Behörden und Politiker*innen.
Plumploris – vom Internet-Star zur streng geschützten Art
Wie sich Hilfe vor Ort und politische Arbeit perfekt ergänzen, zeigt unsere Kampagne für Plumploris. Diese kleinen nachtaktiven Äffchen mit ihren riesigen Kulleraugen sind niedlich anzuschauen und leider die unfreiwilligen Stars von Videos im Internet, wo sie als „Haustiere“ präsentiert werden: Szenen, in denen Plumploris die Arme ausstrecken, wenn ihnen der Bauch gestreichelt wird, erzielen hunderttausende Klicks. Dass dies eine ängstliche Abwehrreaktion stark gestresster Tiere ist, weiß der Laie ebenso wenig, wie dass die meisten Äffchen nicht lange in Gefangenschaft überleben. Als wir 2005 erstmals solche Videos sahen und die Hintergründe recherchierten, wurde uns schnell klar: Der Handel boomt und das Einfangen aus der Wildnis bringt Plumploris an den Rand der Ausrottung. Zwar sind alle Affen international geschützt, doch nur für einige Arten (wie Gorillas, Schimpansen oder Gibbons) gilt der höchste Schutzstatus, nämlich ein kommerzielles globales Handelsverbot. Länder wie Indonesien, wo Plumploris heimisch sind, greifen gegen illegalen Tierhandel nur durch, wenn die Art diesen höchsten Schutzstatus hat. 2005 wurden Plumploris noch auf nahezu allen Tiermärkten in Indonesien und auch im Internet offen angeboten. Hier mussten wir ansetzen, um das Überleben der Plumploris zu sichern.
Der Weg: Strengere weltweite Schutzgesetze durchsetzen
Da der internationale Handel mit den bedrohten Plumploris bis zu diesem Zeitpunkt legal war, gab es keine Handhabe, dem Raubbau einen Riegel vorzuschieben. Nur ein Handelsverbot konnte den bedrängten Plumplori-Beständen helfen. Alle zwei bis drei Jahre treffen sich die 183 Mitgliedsstaaten des Weltartenschutzabkommens CITES und entscheiden, für welche Arten weltweite Handelsbeschränkungen oder gar -verbote gelten sollen. Die CITES-Beschlüsse müssen in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.
Zunächst recherchierten wir Ausmaß und Kanäle des Handels, knüpften Kontakte zu Plumplori-Expert*innen und Behörden der Herkunftsländer. Gemeinsam trugen wir alle Informationen zusammen, die wir für einen formalen Antrag auf höchsten internationalen Schutzstatus brauchten.
2007 war es dann so weit: Kambodscha beantragte ganz offiziell ein weltweites Handelsverbot für alle Plumploris. Pro Wildlife ist offizieller CITES-Teilnehmer, aber nur die Vertreter der Mitgliedsstaaten haben ein Stimmrecht. Bis zur letzten Minute leisteten wir bei den CITES-Delegierten der verschiedenen Staaten Überzeugungsarbeit, wie bedroht Plumploris sind und dass sie unter strengen Schutz gestellt werden müssen. Mit Erfolg: Die Mehrheit der Delegierten stimmte schließlich dem Antrag von Kambodscha zu. Seit September 2007 gilt für alle Plumploris ein internationales Handelsverbot!
Per Gesetz geschützt – die Arbeit vor Ort beginnt
Fehlt der Vollzug, verkommen Gesetze zum Papiertiger. Behörden beschlagnahmen nur dann Plumploris von den Märkten, wenn sie erstens um deren strengen Schutz wissen und zweitens geeignete Pflegestellen für verletzte Tiere zur Verfügung haben. Die logische Konsequenz für uns aus unserem CITES-Erfolg war es, Infomaterial in sechs asiatischen Sprachen zusammenzustellen und Schulungen für Artenschutzbehörden zu fördern. Seit 2007 unterstützen wir die einzige Auffangstation für Plumploris in Indonesien, dem Hotspot des illegalen Handels. Gerade in den ersten Jahren beschlagnahmten die Behörden bei Razzien dutzende, einmal gar 250 Tiere auf einen Streich und brachten sie zur Station Ciapus auf Java. Auch dank unserer Hilfe konnte Ciapus eine Aufklärungskampagne im Internet durchführen; die Zahl angebotener Plumploris ist seither auf ein Minimum zurückgegangen. Und was uns ebenso freut: Hunderte der seltenen Äffchen wurden in den letzten Jahren wieder ausgewildert. All das nahm seinen Anfang an ein paar Schreibtischen in München.
Pro Wildlife: Eine Stimme für Wildtiere
Die großen Artenschutzkonferenzen finden nur alle zwei bis drei Jahre statt. Durch den Austausch mit unserem internationalen Netzwerk und unsere durchgehenden Recherchen zum Wildtierhandel haben wir schon kurz nach der letzten Konferenz Kandidaten für die nächste Schutzinitiative im Sinn. Und dann geht der Kreislauf von vorne los: Recherchieren, Dokumentieren, Überzeugen, Unterstützen, Verhandeln – Wir setzten uns für bedrohte Tierarten ein und geben ihnen international eine Stimme!