Die schlechte Luftqualität in Chinas Hauptstadt wurde häufig in den Medien thematisiert. Als ein Mitarbeiter der UmweltDruckerei lebe ich derzeit in Peking und erfahre die Luftverschmutzung am eigenen Leibe, daher möchte ich über meine persönlichen Erfahrungen mit diesem Umweltproblem berichten.
Das Erste, was es allmorgendlich in der 24-Millionen-Metropole zu erledigen gilt, ist der Blick auf die App, die die Luftqualität anzeigt. „Luftwerte um die 150“ heißt es dann am Frühstückstisch – „na, das geht ja noch“. Man könne sogar die Fenster kurzzeitig mal wieder öffnen, freut sich die internationale Runde. Die angesprochenen Luftqualitätswerte umfassen unter anderem die Feinstaubkonzentration in der Luft. Was dieser Wert genau aussagt, weiß man am Frühstückstisch zwar nicht so genau, aber die App bewertet die Luftqualität zumindest mit „ungesund“.
Die erwähnten „150“ heißen, dass etwa 65 µg/m³ Feinstaub (bis zu einer Partikelgröße von 2,5 µm) zu verzeichnen sind. Zum Vergleich: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, das ein Jahresmittel von PM2,5 10 µg/m³ nicht überschritten werden sollte, was nichts anderes bedeutet, als dass der Wert an diesem Morgen bereits das 6,5-fache der Grenzwerte beträgt.
Warum die Frühstückenden die „150“ dennoch mit „na, das geht ja noch“ bewerten, rührt daher, dass in Peking ganz andere Referenzwerte im Alltag dienen. Die Empfehlungen der WHO sind für chinesische Verhältnisse utopisch und werden ohnehin fast nie erreicht. Hier ist man leider bereits an Werte von 300, 400 und 500 gewöhnt – mit verheerenden Folgen: Die Anzahl der Atemwegserkrankungen steigt kontinuierlich. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 1,6 Mio. Menschen in China pro Jahr an den Folgen der massiven Luftverschmutzung sterben.
Filtrierende Atemmasken, so einigt sich die deutsch-chinesische Frühstückrunde, trage man „so ab 200-250“, denn dann beginne es, im Hals zu kratzen und der Gestank ist kaum mehr zu ertragen. Was hier so stinkt, sind vor allem die Millionen Abgase der Autos, LKWs und Busse, die das Atmen erschweren. Gravierende Auswirkungen haben zudem die Kohle- und energiebedürftige Stahlindustrie, deren Rauchschwaden aus den unzählbaren Schornsteinen die Städte in einem gelblich-grauen Schleier hüllen, sodass die Sonne Mühe hat, sich den Weg durch den zähen Dunst zu bahnen. Auf dem Land ist es nicht unbedingt besser, da die Haushalte fast ausschließlich mit Kohle heizen und ihre Stoppelfelder zur Aufbereitung abbrennen sowie die Emissionen der ausgelagerten Industrie abbekommen, sodass insbesondere bei Windstille die Dörfer und Äcker unter einer Smog-Glocke gefangen sind.
China Regierungschef Li Keqiang hat unlängst den „Kampf gegen die Umweltverschmutzung“ ausgerufen und in diesem Zuge hunderte Fabriken schließen lassen sowie die Umweltgesetze verschärft. Zudem will das Land der Mitte zukünftig die Kohleproduktion einschränken. Der öffentliche Personennahverkehr wurde insbesondere vor den Olympischen Spielen massiv ausgebaut. Inwiefern diese Maßnahmen etwas bringen, wird die Zukunft zeigen. Die Regelung, dass an bestimmten Tagen nur Autos mit ungeraden bzw. geraden Kennzeichnen fahren dürfen, scheint jedenfalls wenig effektiv.
„Wir haben zwei Autos“ entgegnet meine Tischnachbarin, „eines mit geraden und eines mit ungeraden Kennzeichen“, so umgehe man ganz einfach die Regelung. „Zudem solle man mal versuchen, die Myriaden von Autos auf Pekings Straßen zu kontrollieren…“ – ein Kampf, der wohl kaum zu gewinnen ist. Und ganz schuldlos an Chinas Umweltmisere seien wir Europäer ja auch nicht, wird am anderen Ende des Tisches ergänzt – „oder was glaubt ihr, für wen wir all die Produkte produzieren?“ Da ist allerdings was dran, denn ein gewisser Anteil der Umweltverschmutzung basiert auf Chinas Exportindustrie.
Umweltpolitische Probleme lösen kann dieser Blog-Beitrag selbstverständlich nicht, aber vielleicht ein wenig nachdenklich stimmen. Wie wichtig die persönliche Wahl eines ökologischen Stromanbieters ist, der auf Kohle verzichtet, wird einem hier in China nur allzu deutlich bewusst. Ich zumindest werde zukünftig meine norddeutsche Luft mehr zu schätzen wissen und zudem häufiger mein Fahrrad, als mein Auto nutzen, denn das Menschen eines Tages mit Atemschutzmasken durch die Hannoveraner Innenstadt oder die Lüneburger Heide laufen müssen, möchte ich mir lieber nicht vorstellen.
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